Storytelling ist seit einiger Zeit für Werbestrategen und Social Media-Manager kein Fremdwort mehr. Christian Spließ erklärt in diesem Artikel, was das Musikalbum „Nine Inch Nails“ mit der ARTE-Echtzeit-Fernsehserie „Zeit der Helden“ verbindet. Eine intensive Auseinandersetzung mit den Begriffen Trans-Media und Crossmedia ist für Unternehmen künftig ein Muss, glaubt der Blogger und Social Media-Experte aus NRW.
Storyteller unterscheiden seit einiger Zeit zwischen den Begriffen „Cross-Media“ und „Transmedia“: Cross-Media-Storytelling übersetzt eine Geschichte in verschiedene Medienformen. Wenn ein Buch verfilmt wird, wenn es eine Adaption eines Romans als Comic gibt oder wenn ein Comic wie „300“ Szene für Szene fürs Kino adaptiert wird – Crossmedia Storytelling. Ein Stoff wird also auf verschiedenen Kanälen erzählt, aber es ist immer noch eine einheitliche Geschichte – mehr oder weniger an das jeweilige Medium angepasst.
Twitter-Kanäle für Romeo und Julia
Transmedia Storytelling erzählt zwar eine Geschichte, aber aus unterschiedlichen Blickwinkeln. So gab es mit „Such Tweet Sorrow“ eine Twitter-Adaption von „Romeo und Julia“, bei der die einzelnen Charaktere einen eigenen Twitterkanal bekamen. So konnte man die Geschichte aus der Perspektive von Romeo verfolgen, der zudem noch ein eigenes Blog anlegte, oder der von Julia. Man konnte sich entscheiden, ob man Pater Laurentius folgte oder eher Paris. Das ist ein Beispiel für Transmedia Storytelling in einem Medium. Rechnet man Romeos Blog hinzu, dann hat man Ansätze für Transmedia Storytelling – übergreifend über verschiedene Kanäle. Online/Offline geschah das beispielsweise bei der Vermarktung von „Year Zero“, dem fünften regulären Studioalbum von Trent Reznors Musikprojekt „Nine Inch Nails“ im Jahr 2007.
Jüngste Beispiele dafür wären die vom ZDF produzierte „Dinah Foxx“-Story und „Zeit der Helden“. Bei Dinah Foxx gab es einen Kriminalfilm im Fernsehen, der ein offenes Ende hatte. Um den Täter zu finden, gab es im Netz auf Webseiten verteilte Hinweise – und in einem Forum konnten die Zuschauer dann nach und nach die Puzzleteile zusammenzusetzen, um Dinah aus ihrer Klemme zu befreien. ARTE probierte mit „Zeit der Helden“ ähnliches. Ebenfalls von ARTE stammte das Konzept für „The Spiral“. Hier griffen Blog, Webseite und ein Spiel ineinander und ergänzten die Handlung der Fernsehserie. Dass übrigens Fernsehsender und Buchverlage schon früh mit Cross-Media und Transmedia arbeiteten, darf dabei nicht verwundern.
Rabbithole und Storybogen: Darauf kommt es beim Storytelling an
Für beide Ansätze des Storytellings gilt: Der Leser oder der Handelnde muss in die Story hineingezogen werden. Deswegen muss gutes Storytelling mit einem besonderem Einstieg beginnen – einem sogenannten Rabbithole oder Kaninchenloch. Abgeleitet von der bekannten Geschichte, in der ein kleines Mädchen namens Alice einem weißen Kaninchen hinterherläuft und durch ein Loch in eine sehr seltsame Welt fällt. Bei sogenannten Alternate Reality Games (Spiele, bei denen, unter Einsatz verschiedener Medien, die Grenze zwischen fiktiven Ereignissen und realen Erlebnissen bewusst verwischt wird) kann das eine Postkarte sein, die der Leser im Briefkasten vorfindet oder ein seltsamer Telefonanruf. Wichtig ist: Die Neugier des Handelnden zu wecken und sein Interesse so lange zu halten, bis die nächste Station oder der nächste Höhepunkt im Storybogen erreicht wird.
Denn wenn eine Geschichte keinen Bogen mit Höhepunkten und dramatischen Wendungen hat, dann ist sie nur eine Handlung. Die meisten Firmenvideos, in denen die Herstellung eines Produktes gezeigt wird, haben in der Regel nur eine Handlung: Sie zeigen eine Abfolge von Tätigkeiten, erzählen aber keine Geschichte. Anders dagegen die schon klassisch zu nennenden Sachgeschichten bei der Sendung mit der Maus. Diese haben einen Spannungsbogen, der von vorne bis zum Ende durchgeplant ist. Dies habe ich für „Grenzgeschichten“ – ein Projekt der Stiftung Zuhören in Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk – für den Countdown im Blog vor der öffentlichen Präsentation des Portals gewählt. Dabei habe ich mich am klassischen Muster von Aristoteles orientiert: Es gibt eine Einführung, einen Konflikt, dann eine Wendung und ein Finale. Im Redaktionsplan hatte ich Stichworte wie „Drama!“ oder „Es wird schlimmer und schlimmer“ notiert bis zur „furiosen“ Auflösung – man kann das Ganze natürlich im WordPress-Blog Grenzgeschichten nachlesen. Dies beweist übrigens, dass ein Handlungsbogen auch ohne einen Helden funktionieren kann.
Im dritten und letzten Teil, der am 11. September erscheinen wird, erklärt Christian Spließ, was es mit den Begriffen „Heldenreise“ und „Storyworld“ auf sich hat.
Bildnachweis: Alte Bücher in der Bibliothek des Merton College, CC BY-SA 3.0 DE.