Wer diese Tage in Shanghai oder Peking unterwegs ist, dem springt vor allem eine Plakatwerbung ins Auge. Ob in der Metro oder an Bushaltestellen: Die blau-weißen Anzeigen für LinkedIn sind derzeit kaum zu übersehen. Das wachsende Interesse junger Chinesen an dem Business-Netzwerk ist vor allem Folge einer besseren Ausbildung und einer intensiveren internationalen Vernetzung.
Im Vergleich zu den derzeit 649 Millionen chinesischen Internetnutzern scheint die Zahl der acht Millionen LinkedIn-User (Stand: Februar 2015) zunächst einmal gering. Das Management des amerikanischen Netzwerks kann sich dennoch zufrieden schätzen. Denn ausländische Anbieter hatten es in der Vergangenheit nicht leicht, im Reich der Mitte Fuß zu fassen. Trotz intensiver Bemühungen: eBay und Amazon konnten sich gegen einheimische Marken wie TMall und Taobao bislang nicht durchsetzen. Suchmaschinen-Giganten wie Google, Bing oder Yahoo sind gegenüber Anbietern wie Baidu weitgehend machtlos – vor allem auch deswegen, weil sich diese mit speziell auf chinesische Bedürfnisse abgestimmten Angeboten bei einheimischen Usern beliebt gemacht haben. Die Tatsache, dass Baidus Ergebnisse bei englisch- oder deutschsprachigen Suchanfragen immer noch lückenhaft sind, mag die meisten Chinesen wenig kümmern.
Einzigartige Gelegenheit, um mit ausländischen Firmen in Kontakt zu treten
Der Vorteil, den LinkedIn für sich verbuchen kann: Es gibt bisher kein chinesischen Pendant, das dem Business-Netzwerk ernsthaft Konkurrenz machen könnte. 51job.com oder Maimai ermöglichen zwar den Zugriff auf eine gewaltige Anzahl an Stellenangeboten, bieten Usern bisher jedoch wenig Möglichkeiten zur echten Interaktion mit Arbeitgebern. Bei LinkedIn dagegen haben Bewerber die Möglichkeit, mit potentiellen Vorgesetzten oder Kunden zum Beispiel über gemeinsame Interessen ins Gespräch zu kommen. Angesichts von immer mehr hochqualifizierten Absolventen und einer zunehmenden Konkurrenz zwischen Firmen und Dienstleistungen wissen auch Chinesen persönliche Kontakte zu Personen aus Unternehmen zu schätzen und begeistern sich daher für das populäre Netzwerk aus den USA.
LinkedIn stößt vor allem bei gut ausgebildeten, jungen Chinesen aus Megametropolen wie Shanghai, Peking oder Guangzhou auf Interesse. Die meisten von ihnen sprechen hervorragendes Englisch, ein Großteil hat im Ausland studiert. Und ein nicht unerheblicher Teil sucht auch gezielt nach Arbeit im Ausland. „Unser Ziel ist es, langfristig in China zu investieren und die Zahl der User in den nächsten fünf Jahren auf 50 Millionen zu erhöhen“, so Derek Shan, China-Chef von LinkedIn. Mit einer chinesischsprachigen Version wendet sich LinkedIn seit einiger Zeit gezielt an Nutzer innerhalb der Volksrepublik, während das Netzwerk in der weitgehend englischsprachigen Sonderverwaltungszone Hong Kong schon seit Jahren ein hohes Maß an Popularität genießt – und das sowohl bei Konzernen als auch bei Start-ups.
„Roter Hase“ als Markenzeichen
Um junge Chinesen anzusprechen, arbeitet das Business-Netzwerk zur Zeit an „Red Rabbit“ (Pinyin: chìtù, 赤兔), einer App, die sich speziell an Studierende und junge Hochschulabsolventen richtet. Chinesen fühlen sich bei dem Begriff sofort an den historischen Roman „Die Geschichte der Drei Reiche“ erinnert. Darin wird einem Pferd mit dem Namen „roter Hase“ Heldenmut und besonderes Durchhaltevermögen nachgesagt. Cate Cadell von der Nachrichtenplattform Technode glaubt, dass LinkedIn mit seiner neuen App ein bemerkenswertes Maß an kulturellem Einfühlungsvermögen demonstriert – sowohl was Namenswahl als auch Design angeht.
Im Rahmen eines Vortrags am Changshu Institute of Technology werde ich am 14.09.2015 näher auf Chancen und Möglichkeiten von LinkedIn in Deutschland und China eingehen.
Thumbnail und Bild oben rechts: Börsenkurse im Shanghaier Finanzdistrikt Pudong: Steigendes Interesse an wirtschaftlichen Themen, mehr Dienstleistungsjobs und eine bessere Ausbildung führen zu mehr LinkedIn-Nutzern. Eigenes Werk